Schon heute Netze von morgen - Digitalisierung bei MITNETZ
Die Digitalisierung spielt bei den Netzbetreibern MITNETZ STROM und MITNETZ GAS eine sehr wichtige Rolle, wie wir bereits in unserem letzten Artikel zum Thema beschrieben haben. Verantwortlich für das Digitalisierungsprogramm ist Frank Oehme. Im zweiten Teil des Interviews beschreibt er, wie MITNETZ von der Integration in den E.ON-Konzern partizipiert, welche Projekte bereits umgesetzt sind und wie es das Unternehmen schafft, seinen klugen Köpfen Raum zur kreativen Entfaltung zu geben.
Sie hatten im ersten Teil des Interviews von digitalen Prozessen gesprochen. Was genau ist damit gemeint bzw. haben Sie ein Beispiel dafür?
Wir wollen zum Beispiel den Netzanschlussprozess, also die Errichtung und Änderung von Bezugs- und Einspeisungs-Anschlüssen vollständig automatisieren. Die über Kundenportale eingespeisten Daten werden vollständig automatisiert digital verarbeitet. Der Kunde kann Termine und Status der Umsetzung seines Anschlusses jederzeit online abrufen. Wir nutzen die Informationen auch zum eigenen Prozess-Controlling.
Was bringt das den Kunden und was bringt das MITNETZ STROM?
Es führt zu einer schnelleren Bearbeitung und Realisierung der Kundenanfragen und entlastet unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Anschlussbearbeitung – ein Muss für die Energiewende. Der Anschluss ans Netz ist das Eine, der Betrieb des Netzes das Andere. Unser Ziel ist es, mit dem „intelligenten Netzbetrieb“ effizienter, sicherer und zukunftsfähiger zu werden. Wir werden in 2024 das satellitenbasierte Trassenmanagement einführen und haben bereits 50 Umspannanlagen durch ein Laserscanning für den Digitalen Zwilling – also als digitale 3D-Kopie - vorbereitet. Die drohnenbasierte Inspektion von Freileitungen liefert uns schon heute Bildmaterial, die wir mittels Künstlicher Intelligenz (KI) verarbeiten und analysieren. Die produktive Nutzung im Prozess ist auch ab diesem Jahr geplant. Durch diese neuen vernetzten Technologien erhöhen wir die Sicherheit bei Arbeiten im Netz und können unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Planung und Netzbetrieb ein interessantes Arbeitsumfeld bieten, mit dem wir insbesondere auch neue Fachkräfte für die Arbeit bei MITNETZ STROM und MITNETZ GAS begeistern wollen.
Wie fördern Sie die Kreativität der Mitarbeitenden?
Wir schaffen offene Kreativ-Bereiche, um unseren Mitarbeitern Raum für Ideen zu geben und Mehrwerte für ihr eigenes Arbeitsumfeld zu schaffen. Ein konkretes Ergebnis ist beispielsweise die selbst entwickelte App zur Inbetriebnahme von digitalen Ortsnetzstationen, so genannten digiONS. Mitarbeitern aus dem Betrieb ist es gelungen, durch eine selbstentwickelte App die spezialisierten Arbeitsschritte zur Inbetriebnahme für alle Betriebsmonteure beherrschbar und durchführbar zu machen. Nebenbei wird die aufwändige Zettelwirtschaft vermieden und Beitrag für die Nachhaltigkeit geleistet. Um bei dieser selbstständigen Prozessautomatisierung noch mehr Gas zu geben, steht den Entwicklern vor Ort (den Citizen Developern) seit Januar 2024 das MITNETZ-CD-Lab offen – über 50 Ideen warten auf ihre Umsetzung.
Bleibt noch das Handlungsfeld Data Analytics, also Datenanalyse. Was hat es damit auf sich?
Die MITNETZ STROM und MITNETZ GAS besitzt einen enormen Datenschatz. Mithilfe dieser Daten simulieren wir Zukunftsszenarien zu der Fragestellung: Wie wirken sich bestimmte Maßnahmen oder äußere Einflüsse auf die Netzentwicklung und -bewirtschaftung aus? So erkennen wir bestimmte Zusammenhänge in unserem Netz und leiten daraus Chancen und Risiken ab.
Welche Vorteile bietet das?
Indem wir unsere mittel- und langfristige Instandhaltungsstrategie anpassen, sparen wir Kosten und schaffen eine qualitative Entscheidungsgrundlage für die Netzentwicklung. Zudem reduzieren wir störungs- und ereignisbedingte Aufwände und optimieren die Zeitpunkte für bestimmte Maßnahmen, was wiederum dem Substanzerhalt dient.
All die beschriebenen Initiativen in Digital@MITNETZ finden unter dem Dach der E.ON-Konzernmutter statt. Wie funktioniert da die Zusammenarbeit?
Es ist ein Geben und Nehmen. Wir haben bislang etwa sechs Initiativen der MITNETZ eingebracht, vier davon stießen auf Interesse bei anderen E.ON Gesellschaften und werden ausgerollt. Das macht uns sehr stolz. Umgekehrt haben wir uns für den Einsatz von zehn Applikationen aus E.ON bei MITNETZ STROM und MITNETZ GAS in den nächsten Jahren entschieden. Ein Erfolgsmodell also, das wir weiter ausbauen werden.
Wie gelingt es Ihnen, die Mitarbeiter bei diesem rasanten Veränderungsprozess mitzunehmen oder sie sogar zu begeistern?
Dass nahezu alle Digitalinitiativen durch Product Owner aus dem Anwenderkreis verantwortet werden, trägt maßgeblich zur Motivation bei. Aus einem regelmäßigen Statusbericht des Programms Digital@MITNETZ haben wir mittlerweile eine Institution etabliert. Einmal im Monat treffen sich der Vorstand und die Geschäftsführung mit den Product Ownern. Diese stellen dann die erreichten Entwicklungsfortschritte in ihren Initiativen vor. Die Unternehmensleitung hat die Gelegenheit für direkte Nachfragen. Daraus resultieren ein sehr gutes Arbeitsverhältnis und eine enorme Wertschätzung.
Herr Oehme, vielen Dank für das Gespräch!